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15 Jahre Prävention von Kindesmissbrauch: „Kein Täter werden“


[Mitglieder-Bericht 025/2025, Kiel, Dienstag, 18.02.2025]

Mit Plakaten wie diesem spricht das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ gezielt Menschen mit pädophilen Neigungen an, um Kindesmissbrauch zu verhindern. (Bild: UKSH)
Mit Plakaten wie diesem spricht das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ gezielt Menschen mit pädophilen Neigungen an, um Kindesmissbrauch zu verhindern. (Bild: UKSH)

Neue Kampagne mit Videos gestartet – Projektleitung wirbt um weitere Förderung


Seit 15 Jahren setzt sich das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ in Schleswig-Holstein für die therapeutische Behandlung von Menschen mit pädophilen Neigungen ein – und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Opferschutz. Durch professionelle Unterstützung lernen Betroffene, mit ihrer Veranlagung umzugehen und ihre Handlungsimpulse zu kontrollieren, um so Kinder vor Übergriffen zu schützen. Zum Jubiläum startet eine neue Aufklärungskampagne mit Videomaterial, um Betroffene gezielt zu erreichen und die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Projekt zu stärken. Gleichzeitig hoffen die Projektbeteiligten auf weitere Unterstützung, da die Förderung durch den Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) zum Jahresende ausläuft.


Nach empirisch begründeten Schätzungen fühlen sich in Schleswig-Holstein etwa 7.000 Personen sexuell zu Kindern hingezogen. Diese Präferenz wird als „Pädophilie“ bezeichnet. Von einer pädophilen Störung spricht man, wenn Betroffene unter ihrer Neigung leiden oder ein erhöhtes Risiko für Übergriffe besteht. Pädophilie kann nicht behoben oder geheilt, aber kontrolliert werden.


Das Projekt „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld“ wurde 2005 an der Berliner Charité ins Leben gerufen. In den folgenden Jahren entstanden an mehreren Standorten in Deutschland ähnliche Therapiezentren, die sich 2011 zum bundesweiten Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ zusammenschlossen. Der Kieler Standort, der im Jahr 2009 eröffnet wurde, gehört zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks. Die Präventionsambulanzen bieten Betroffenen die Möglichkeit, anonym und kostenfrei eine sexualmedizinisch-sexualtherapeutische Diagnostik, Beratung und Therapie in Anspruch zu nehmen.


Seit der Einrichtung des Standorts am UKSH, Campus Kiel, haben sich insgesamt 969 Menschen hilfesuchend an das Projekt gewandt. Daraus resultierten 309 Erstgespräche, 168 Personen wurden in eine therapeutische Behandlung aufgenommen, und 93 Behandlungen konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Aktuell befinden sich 37 Personen in Behandlung, davon 23 in Therapie, fünf in Beratung und neun in der Nachsorge. „Die vergangenen 15 Jahre haben gezeigt, dass gezielte therapeutische Angebote helfen, das Risiko von Übergriffen zu minimieren. Zugleich belegen unsere Zahlen, dass es einen kontinuierlichen Bedarf gibt“, sagt Prof. Dr. Christian Huchzermeier, Direktor des Instituts für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am UKSH, Campus Kiel, sowie Projektkoordinator des ZIP.


Anlässlich des Jubiläums von „Kein Täter werden“ in Schleswig-Holstein wird eine neue Kampagne mit Videomaterial veröffentlicht. „Mit der neuen Kampagne möchten wir Betroffene gezielt ansprechen, über bestehende therapeutische Angebote informieren und zur frühzeitigen Inanspruchnahme professioneller Hilfe ermutigen“, erklärt Prof. Huchzermeier. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt ein Blick auf die polizeiliche Kriminalstatistik: Im Jahr 2023 registrierten die Strafverfolgungsbehörden 16.375 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern – 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Jeden Tag werden in Deutschland 54 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch.


Die crossmediale Kampagne, die das Justizministerium Schleswig-Holstein wie in den Vorjahren mit einer Summe von 75.000 Euro unterstützt, umfasst Großflächenplakate, animierte Werbedisplays sowie eine Verbreitung über soziale Medien. Eines der Kampagnen-Videos, das die Perspektive eines Missbrauchsopfers beleuchtet, ist auf der Website www.kein-taeter-werden.sh sowie auf dem YouTube-Kanal des UKSH abrufbar.


Bis 2017 wurde das Angebot in Kiel ausschließlich durch das Justizministerium gefördert. Seit 2018 beteiligen sich die gesetzlichen Krankenkassen an der Finanzierung im Rahmen eines GKV-Modellprojekts, das zum 1. Januar 2026 ausläuft. Um die therapeutische Versorgung langfristig zu sichern, wäre entweder eine Verlängerung dieser Förderung oder die Integration des Angebots in die Regelversorgung notwendig. „Die Fortführung dieses Angebots ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die vergangenen 15 Jahre haben gezeigt, wie wirkungsvoll therapeutische Unterstützung dabei helfen kann, das Risiko von Übergriffen zu verringern und Betroffenen eine Perspektive zu bieten. Um diesen Erfolg fortführen zu können, hoffen wir auf eine nachhaltige Finanzierung des Projekts“, sagt Prof. Huchzermeier.



Quelle: Pressemitteilung Krankenhaus



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